Mittwoch, den 4. Mai 1960, 20.00 Uhr
Stuttgart, Liederhalle, Beethovensaal
8. Meisterkonzert

D I E T R I C H   F I S C H E R  -  D I E S K A U

Am Flügel: GÜNTHER WEIßENBORN

HUGO - WOLF

Im Jahre seines 100. Geburtstages

Lieder nach Gedichten von Johann Wolfgang von Goethe

Gesänge des Harfenspielers aus "Wilhelm Meister"
I.   Wer sich der Einsamkeit ergibt
II.  An die Türen will ich schleichen
III. Wer nie sein Brot mit Tränen aß.

Ganymed
Gleich und Gleich
Frühling übers Jahr
Der Schäfer
Der neue Amadis
Phänomen (Aus dem "Buch des Sängers" im "Westöstlichen Diwan")
Der Rattenfänger

*

Wandrers Nachtlied
Grenzen der Menschheit
Anakreons Grab
Prometheus
Erschaffen und Beleben (Aus dem "Buch des Sängers" im "Westöstlichen Diwan")
Genialisches treiben
Cophtisches Lied I (Lasset Gelehrte sich zanken und streiten)
Cophtisches Lied II (Geh, gehorche meinen Winken)

 

Aus dem Programmheft:

In einem einzigen Jahr, von Februar 1888 bis Februar 1889, entstanden dreiundfünfzig Mörike-, dreizehn Eichendorff- und fünfzig Goethelieder. Das Spanische Liederbuch komponierte Wolf von Oktober 1889 bis April 1890, die Keller-Lieder im Mai und Juni 1890, sieben italienische Lieder von September bis November 1890 und dreizehn weitere italienische Lieder, nach einer Pause vom einem Jahr, im Dezember 1891.

Man kann sagen, daß die Produktion jener vier Jahre es ist, auf die sich Wolfs Weltruhm auch heute noch gründet.

In diese Zeit fällt seine Reise nach München, wo er am 12. Oktober 1890 eintraf. Wenn es damals auch zu keinem öffentlichen Konzert kam, so gab es dort doch einen Kreis, der über Wolf Bescheid wußte und selbst weiter wirken konnte. Das berühmt gewordene Gedicht Detlev von Liliencrons legt davon ein prächtiges Zeugnis ab:

An Hugo Wolf

Erinnerst. du dich der Tage:
Hinter dir saßen Conrad der Hüne und ich
Du sang'st uns Deine 53
Drei-und-fünfzig Mörike-Lieder vor
Und deine zahllosen Wunderweisen
Aus Goethe und Eichendorff.
Wie war das alles neu! Zum Erstarren neu!
Vorn im Mörike-Heft, Auf erster Seite,
Hattest du, Bescheidener,
Des Dichters Bild verehrend aufgestellt.
Welcher Tonsetzer tat je so?
Und während du glühend sangst,
Gingen draußen die Deutschen vorüber.
Sie trugen in ihren Taschen
Billette zu "Mamsell Nitouche".
Und die Schamröte flog mir ins Gesicht
Für unsere Landsleute,
Daß sie dir nicht horchten;
Daß sie ihren großen, lieben
Dichter Mörike nicht kennen.
Wir erhoben uns.
Auf ,der Straße
Nahm Conrad, der Hüne, dich
Auf seine Athletenschultern
Und trug dich durch die Menge,
Wie einst der heilige Christoph das Jesulein
Durch das tosende Wildwasser brachte.
Einer Spielzeughändlerin
Kauft ich ein Fähnchen ab.
Und das Fähnchen wuchs schnell
Zur mächtigen, prunkenden Fahne.
Einem Flötenbläser winkt ich,
Der einsam im Kinderkreise blies,
Und er kam und ging mit;
Duidldidum, duidldidum.
Einem Zinkenisten winkt ich
Aus einer Gassenmusik,
Und er kam und ging mit:
Tatara ta, Tatara ta.
Einem Beckenschläger winkt ich,
Der einem Bärenzeiger gesellt stand,
Und er kam und ging mit:
Tschingdada, Tschingdada.
Die drei machten Bocksprünge, während sie spielten,
Und tanzten wie trunkene Derwische.
Vor dem Zuge schwang ich
Die mächtige Prunkfahne hin und her,
Und ich rief:
Platz, da, Platz da, Gesindel,
Ein junger König kommt.
Ein König der neuen Kunst!
Platz da, Platz da, Gesindel,
Ein König kommt!
Und die Deutschen
Griffen entsetzt in ihre Taschen
Und fühlten nach den Billetten
Und sie rannten schleunig
Zu Mamsell "Nitouche".

Südwestdeutsche Konzertdirektion Russ
Tourneeleitung: Konzertdirektion Rudolf Wylach, Wuppertal

 

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