Zum Konzertabend am 6. Juni 1963 in München
Süddeutsche Zeitung, 8. Juni 1963
... und sein Kriegs-Requiem
Rafael Kubelik dirigiert das zwölfte Symphoniekonzert des Münchner Rundfunk-Symphonieorchesters
[...]
Ohne Zweifel machte die exemplarische Wiedergabe auf das Publikum einen so starken Eindruck, daß es über die teilweise so dubiose Qualität des Werkes hinweg hörte. Rafael Kubelik, der das War Requiem wohl vor allem um seiner humanistischen Zielsetzung willen aufführte, erreichte mit einem Riesenapparat - Großes Orchester, Kammerorchester, Großer Chor, Knabenchor - subtile Wirkungen von höchster Eindringlichkeit. Ein grausam-schöner Hymnus wurde da angestimmt und vor allem von Dietrich Fischer-Dieskau, dem Einzigartigen (der übrigens auch Owen-Texte mit übersetzt hatte), und dem an Peter Pears erinnernden Tenor George Maran bezwingend zu Ende gesungen. Was Britten einer Frauenstimme zumutet, vermag wohl nur eine Sängerin vom Format der Margaret Tynes zu erfüllen; von der Eigenart eines Soprans hat Britten offensichtlich keine rechte Vorstellung. Das Rundfunk-Symphonie-Orchester, der Rundfunkchor unter Fritz Schierl und der Tölzer Knabenchor unter Gerhard Schmidt taten das Ihre, um der Aufführung das höchste Qualitätsprädikat zu sichern
Walter Panofsky
Münchner Merkur, 8. Juni 1963
Ein Requiem für den Krieg
Der Krieg ist tot, man trägt ihn zu Grabe und singt ihm die Totengesänge: "Requiem aeternam..." Ewig soll seine Ruhe währen, nichts ihn mehr erwecken, selbst nicht die Posaunen des Dies irae, nie soll er wieder auferstehen.
"Krieg" heißt auf englisch "War". Benjamin Britten stimmt in seinem "War"-Requiem den Grabgesang mit allen Mitteln orchestraler und vokaler Kunst an, benützt die liturgischen Texte der Totenmesse und Gedichte des jung im ersten Weltkrieg gefallenen Engländers Wilfred Owen.
Symbol des tötenden Krieges ist in England die Stadt Coventry, von deutschen Bombern zerstört. Als man im vergangenen Jahr die Kathedrale von Coventry einweihte, sang man dort Brittens "War"-Requiem – es sangen deutsche und englische Künstler, man wollte gemeinsam an denkwürdiger Stelle den Krieg begraben.
"Ich bin der Feind, den du getötet hast, mein Freund – nun laß uns schlafen" verklingt der Schluß, während Knabenstimmen und der Chor das "Requiescat in pace" intonieren.
So weit spannt Brittens großzügige Friedensidee den Bogen, so groß ist das Vorhaben und so ideal der Plan, daß Menschenhand nur versuchen kann, ihn zu verwirklichen. So bleibt der echte Trost auch in Brittens Werk der liturgische Friedenswunsch für die Toten, die in Frieden ruhen sollen, nachdem sie die Schrecken des Krieges erlebt haben, die im Tod Freund gewordenen Feinde.
Die Britische Woche machte durch ein Konzert des Rundfunk-Symphonie-Orchesters mit dem "War"-Requiem bekannt, ließ unter Rafael Kubelik eine außerordentlich wirkungsvolle Aufführung geschehen, der sich vom Leitgedanken her niemand entziehen konnte. Ob Brittens musikalische Kraft der übermenschlichen Aufgabe gewachsen ist, bleibt eine offene Frage, die nicht auf Antwort wartet, wenn noble Gesinnung einem edlen Zweck sich widmet.
Das Orchester erfüllte alle illustrativen Aufgaben der Riesen-Partitur, der Chor des Bayerischen Rundfunks, von Fritz Schieri ebenso sorgfältig studiert wie der Tölzer Knabenchor von Gerhard Schmidt, und Rafael Kubelik als unentwegt inspirierender Dirigent leisteten Vorbildliches. Die Solisten gaben den klagenden und anklagenden Stimmen des Dichters Owen sensiblen Klang: Dietrich Fischer-Dieskau und George Maran. Mächtig erhob sich der Sopran von Margaret Tynes über Chor und Orchester.
Ludwig Wismeyer
Münchner Abendzeitung, 8. Juni 1963
Brittens Kriegs-Requiem
[...]
Rafael Kubelik brachte das Werk im zwölften Rundfunk-Symphoniekonzert (Herkulessaal) höchst inspiriert zu Gehör. Es gelang ihm, das Rundfunkorchester, den Rundfunkchor unter Fritz Schierl, den Tölzer Knabenchor unter Gerhard Schmid und die drei großartigen Solisten, Margaret T y n e s mit ihrem außergewöhnlich leuchtenden und tragfähigen Sopran, den kultivierten Tenor Georg M a r a n und den unvergleichlichen Dietrich F i s c h e r - D i e s k a u (von dem auch die Übersetzung der Owens-Verse stammt), zu einer ebenso glänzenden wie tief beeindruckenden Wirkung hinzureißen.
Antonio Mingotti