Zum Liederabend am 6. März 1975 in Braunschweig


    

     Braunschweiger Zeitung, 6. März 1975     

     Fischer-Dieskau in Braunschweig zu Gast

Sensible Liedgestaltung

   

Im Zeichen der unverwelkten Lyrik Joseph von Eichendorffs, musikalisch vielschichtig gespiegelt, stand der jüngste Liederabend Dietrich Fischer-Dieskaus in der Braunschweiger Stadthalle zu Beginn der Tournee, die den Bariton durch sechzehn deutsche Städte führt und in Freiburg i.Br. endet. Fischer-Dieskau ist nicht nur ein Liedgestalter von säkularer Bedeutung – er weist sich immer wieder als profunder Kenner dieser Literatur aus und trifft für seine Programme eine erlesene und wohlabgewogene Auswahl. Das zeigte dieser Abend erneut. Der Sänger schloß auch weniger vertraute Kompositionen von Bruno Walter (1876 bis 1962), dem großen Dirigenten, sowie von dem 1904 in Hannover geborenen Kaminski-Schüler Reinhard Schwarz-Schilling in den Kranz der Vertonungen von Felix Mendelssohn Bartholdy, Robert Schumann, Hans Pfitzner und Hugo Wolf ein.

Wie eh und je, wenn Fischer-Dieskau auf dem Podium steht, so gingen auch jetzt von den stillen Liedern die stärksten Wirkungen aus. Indessen, es wurde vor allem während des ersten Teils dem Sänger durch hartnäckige Huster gerade nicht erleichtert, die erforderliche innere Spannung zu erhalten, die herbeizuführen, gerade innerhalb eines großen Auditoriums, besonderer Kräfte der Konzentration bedarf. Nun, Fischer-Dieskaus eminente Fähigkeit, die jeweilige Vertonung musikalisch wie dichterisch in ihrer Ganzheit sensibel zu reflektieren, wußte jene Beeinträchtigung zu überwinden, zumal die Sympathie des Publikums gegenüber dem Gast eigentlich in jeder Phase seines Vortrags gegenwärtig war.

Der Sänger, der im Programmheft die Dichtergestalt Eichendorffs prägnant kommentierte, hatte zwar in Günther Weißenborn am Flügel nicht immer den adäquaten Partner. Dessenungeachtet ließ der Bariton den Pianisten – der übrigens schon bei Fischer-Dieskaus unvergessenem Liederabend vor zweiundzwanzig Jahren hier in der Pädagogischen Hochschule den Klavierpart spielte – an den herzlichen Ovationen des Publikums teilnehmen. Den dankbaren Hörern wurden, beginnend mit dem " "Intermezzo" (Dein Bildnis wunderselig), noch mit spontanem Beifall aufgenommene Zugaben gewährt.

gos

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