Zur Oper am 27. November 1977 in Berlin


"Oper und Konzert", München, 1/1978

Deutsche Oper Berlin

Die Meistersinger von Nürnberg

Die künstlerische Qualität einer Opernaufführung ist nicht die Addition großer Namen, sondern das Produkt optimaler Gemeinsamkeit. Sie ist gegeben, wenn ein Dirigent wie Heinrich Hollreiser mit zurückhaltender Dynamik musikalische Feinsinnigkeit offenbart, und wenn Peter Beauvais, der Regisseur, mit Sorgfalt seiner Charakterzeichnung das erwachende Selbstgefühl des Bürgers in schlichter Schönheit zeigt.

Da drängt sich nichts vor und nichts auf, weder die altnürnbergische Idylle des Bildes (Jan Schlubach) noch das bunte Detail (Barbara Bilabel) der Kostüme. Ein optisch wie klanglich beschauliches Bild sensibler Polyphonie, das im Gesang Dietrich Fischer-Dieskaus seine wohl gültigste Entsprechung findet. Es ist dies freilich kein Sachs im herkömmlichen Sinne, kein Heldenbariton von stimmlicher Fülle, und doch werden, etwa im Verhältnis zu Eva, feine seelische Schwingungen deutlich, wie sie vielleicht nur ein am Lied geschulter Sänger mit einer solchen Subtilität nachzeichnet. Auf dieser interpretatorischen Linie kann sich auch Ernst Krukowski (Beckmesser) mit seinen bescheidener gewordenen stimmlichen Mitteln behaupten. Sympathisch ebenso Malcolm Smith, ein um deutliche Artikulation bemühter Pogner, mit betagt klingendem Baß, oder Josef Becker, der Nachtwächter, in seiner dezenten Kauzigkeit. Eher zurückhaltend denn polternd selbst Gerd Feldhoff, ein Kothner von biederer Betulichkeit, in der Gilde differenziert gezeichneter Meister. Ohne persönliche Note indes David (Horst Laubenthal) als ein gewandter Bursche von gesammeltem Eifer. Korrekt, aber einförmig sein Gesang, so wie es die starren Regeln dieser und offenbar auch seiner Singschule vorschreiben. Eine Fleißarbeit wie übrigens auch die des Stolzing (Gerd Brenneis), bemüht zwar im Ausdruck und gelöster als in der Premiere, aber insgesamt doch von ebenso sprödem Ernst wie von mangelndem Ritterglanz. Nicht unähnlich seiner Eva (Janis Martin), an der ich den Liebreiz des jungen Mädchens und mehr noch die aufblühende Sopranhelligkeit vermisse. So fehlt es am stimmfarblichen Kontrast zu Magdalene (Ruth Hesse), deren schöntimbrierter Mezzo gleichsam wie ein warmes Kaminfeuer durch die Johannisnacht schimmert. Bleibt Johannistag, die volkstümliche Würze des Schlußbildes, das farbliche Gewoge, die hymnischen Chöre. Bleibt der Gesamteindruck einer fast poetisch zelebrierten Frühlingspoesie von schöner Geschlossenheit.

Bernd Kima

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