Zum Konzert am 13. Dezember 1987 in Hamburg


     Die Welt, Datum unbekannt     

Dietrich Fischer-Dieskau mit den Philharmonikern

Erst das Finale spendet sanften Trost

     

Nichts Anheimelndes oder Bekanntes bot das letzte Philharmonische Konzert dieses Jahres. Gerd Albrecht, Dietrich Fischer-Dieskau und die Philharmoniker kamen ihren Hörern ganz und gar nicht weihnachtlich entgegen. Mit so wenig bekannten Werken wie den "Jedermann"-Monologen von Frank Martin wurden vielmehr Hölle, Tod und Teufel beschworen: Eine eigenartig religiöse Programmkonzeption, die die ernstesten Fragen aufwarf und nach vielen heftigen und herben Klängen sanften Trost brachte.

Fischer-Dieskau hat sich die Hofmannsthal-Vertonungen Martins aus dem Jahre 1943 so zu eigen gemacht, als seien sie für ihn geschrieben. Der für diesen Sänger so bezeichnende Prozeß der Anverwandlung und Verinnerlichung trat auch hier imponierend in Kraft. Er gewann der kargen Melodieführung, mit welcher der Komponist den altertümelnden Versen folgt, ein Höchstmaß an ergreifendem Ausdruck ab. Noch stärker als den Notschrei der Todesangst wußte er das Gedenken an die Mutter und die demütige Ergebung eindringlich zu machen – so unsentimental-herb und so überpersönlich wie möglich, wie der Komponist es im Schluß-Monolog verlangt. Und da Albrecht diesen Intentionen beim Gestalten der Orchesterbegleitung voll entsprach, gelangte dieser Zyklus zu großer Wirkung.

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Georg Borchardt

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     Hamburger Abendblatt, Datum unbekannt     

Gerd Albrecht am Philharmoniker-Pult

"Jedermann" und Dante nach Noten

   

Sollte das Programm des 5. Philharmonischen Konzerts auch ein wenig signalhaft wirken? Jedenfalls hatte Hamburgs künftiger Generalmusikdirektor Gerd Albrecht, als Spezialist für Ungewöhnlicheres schon von einigem Ruf, mit Frank Martins "Jedermann"-Monologen nach Hofmannsthal und der Dante-Sinfonie von Liszt gleich zwei weniger (oder gar nicht mehr) aufgeführte Werke ausgewählt. Wobei dem Solisten des Abends, Dietrich Fischer-Dieskau, vielleicht die Funktion eines Brückenbauers zu den doch eher konservativ eingestellten Abonnenten zufiel.

Fischer-Dieskau, ungemein gut bei Stimme, enttäuschte denn auch bei seinem ausdrucksvollen Vortrag der von letzter Selbstsicherheit über Todesangst bis zu völliger Ergebung reichenden "Jedermann"-Gesänge nicht. Dafür tat dies die beim Wiederhören recht blasse Musik. Sie verriet nichts von der Zeit ihrer Entstehung (immerhin 1943) und beschränkt sich, kompositorisch auf ein "Accompagnato" (orchesterbegleitetes Rezitativ) festgelegt, auf eine zwar sehr flexible, aber wenig expressive Wortdeutung.

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Carl-Heinz Mann

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     Morgenpost, Hamburg, Datum unbekannt     

"Regisseur" Fischer-Dieskau

Großer Aufmarsch beim 5. Philharmoniker-Konzert in der Musikhalle

   

Der Aufmarsch von Dietrich Fischer-Dieskau, dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg und dem Frauenchor der Singakademie unter Gerd Albrechts Leitung wirbelte am Montagabend in der Musikhalle viel Staub auf. Viel Staub um nichts.

Soll man lachen oder weinen? Soll man sich etwa schon freuen, wenn in einem philharmonischen Abonnementkonzert einmal – selten genug – Frank Martin neben Franz Liszt erklingt, um darob gleich darauf über das Was und Wie gnädig hinwegzusehen?

Dietrich Fischer-Dieskau sang Frank Martins "Monologe" aus Hugo von Hofmannsthals "Jedermann". Was heißt sang (wiewohl mit bewundernswert frischer Stimme) – D.F.-D. inszenierte Martin. Besser noch: D.F.-D. inszenierte D.F.-D. Kein Pomp ist ihm zuviel. Von Hochmut und Fall handelt der Text, von Streicher-glänzenden Heiligenscheinen und Pauken-hämmernden Herzschlägen die Musik; von Kummerfalten und Schmollmund D.F.-D.’s Interpretation.

Die Philharmoniker kamen um den Frauenchor der Singakademie verstärkt aus den Kabinen, jedoch um das notwendige Maß an Konzentration für Liszts Dante-Symphonie geschwächt. ‚Der Göttliche’ (Liszt über Liszt) und die "Göttliche Komödie": Doch Gerd Albrecht ließ das schier endlos begleitete Rezitativ, hier Symphonie genannt, gehörig vertrocknen, indem er es mit den dynamischen Vorschriften alles andere als genau nahm. Den Rest besorgte eine leicht verschnupfte Solo-Klarinette. Der Frauenchor der Singakademie kann bestimmt viel, nur kein dreifaches Pianissimo singen. Schade.

Gottfried Krieger

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