Zum Liederabend am 23. September 1988 in Berlin    


     Berliner Morgenpost, Datum unbekannt     

Zugaben-Marathon in der Oper für Fischer-Dieskau

     

Goethes Gedichte haben den Komponisten Franz Schubert zu einigen seiner besten Lied-Ideen inspiriert. Von den mehr als 70 Vertonungen hat Dietrich Fischer-Dieskau etwa 20 in der Deutschen Oper ausgewählt.

In seinem Programm liegen schlichte Liedchen und anspruchsvolle Kompositionen absichtsvoll dicht beieinander. Die Tiefgründigkeit und Komplexität einer Vertonung wie der von "An Schwager Kronos" erschließt Fischer-Dieskau überdeutlich, indem er sie zwischen die einfacheren Lieder "Wonne der Wehmut" und "Hoffnung" einbettet. In der ihm eigenen subtilen Art kontrastiert er den trotzigen, gotteslästernden "Prometheus" mit dem ehrfürchtigen Gottvertrauen in den "Grenzen der Menschheit". Er zelebriert, ja beschwört die tiefe Ruhe von "Wanderers Nachtlied" und "Meeresstille". Selbst dem "König in Thule" und dem hübschen, volksliedhaften "Heideröslein" gewinnt Fischer-Dieskau faszinierende, zarte Schattierungen ab.

Hartmut Höll erwies sich wieder als äußerst sensibler, verständiger Musizierpartner am Flügel, der zwischen dem feurigen Triolengalopp des "Erlkönig" und der verspielten Anmut des "Heideröslein" immer den rechten Ton trifft. Der herzliche Beifall vor, inmitten und nach der Vorstellung sowie der halbstündige Zugaben-Marathon, gehören bei Fischer-Dieskau zur Gewohnheit.

Martina Helmig

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