Rhein-Neckar-Zeitung vom 30. September 2003 Voller Intensität und SinnlichkeitDietrich Fischer-Dieskau wird in einer Ausstellung bei Melnikow in Heidelberg als Maler vorgestelltVon Heide Seele Die Stimme des Sängers erklang nur vom Band, denn diesmal stand nicht der weltberühmte Bariton im Mittelpunkt des Interesses, sondern der bildende Künstler. Dietrich Fischer-Dieskau, der seit 1960 malt und 1980 seine erste Ausstellung veranstaltete, ist eine Mehrfachbegabung. Im Laufe seines Lebens erwarb er sich hohe Meriten als Lied- und Opernsänger, als Dirigent, Buchautor und Musikpädagoge und auch mit seiner Malerei, die ihm mehr bedeutet als eine Nebenbeschäftigung. Bei der Eröffnung seiner Bilderschau in der Galerie Melnikow in Heidelberg konnte er indes nicht dabei sein, aber er wird vom 13. - 16. Oktober am Neckar weilen, da er in dieser Zeit in einem Meisterkurs einige begabte junge Sänger und Sängerinnen mit ihren Begleitern im klassischen Liedgesang unterrichtet. 39 Bilder hat Magdalena Melnikow für die Ausstellung vom Starnberger See, dem Feriendomizil von Fischer-Dieskau und seiner Frau Julia Varady, nach Heidelberg geholt. Die Ölbilder, Aquarelle und Zeichnungen, unter denen Landschaften und Porträts einen Schwerpunkt abgeben, dürften einen repräsentativen Querschnitt durch das Oeuvre des Künstlers abgeben. Natürlich sucht man zuerst nach musikalischen Elementen in diesen Bildern, die voller Intensität und Sinnlichkeit, vor allem in farblicher Hinsicht, unmittelbar den Betrachter ansprechen. Er mag bei den drei Wolkenbildern an Varianten zur "Götterdämmerung" denken und würde sich nicht wundern, wenn plötzlich unsterbliche Gestalten aus den rhythmisierten und differenziert gemalten Formationen auftauchten. Das Gefühl der Verlorenheit, dem der Liedinterpret so häufig vokalen Ausdruck verlieh, assoziiert man bei "Einsames Auto" oder "Am Ufer", wie überhaupt emotionale Aspekte bei einigen dieser Bilder im Vordergrund stehen. Dieser Eindruck entsteht auch durch die mutig eingesetzten Valeurs. Der Maler ist ein beherzter Kolorist. Das trifft gleichermaßen auf Landschaften wie Porträts zu. Da fällt zunächst einmal das Bildnis von Julia Varady ins Auge. Man erkennt die international renommierte Sopranistin, die sich vor einigen Jahren von der Bühne zurückzog, mit ihren charakteristischen hohen Wangenknochen und etwas schrägen Augen auf Anhieb. Julia kehrt als Motiv mehrfach wieder, z. B. in einer sicher auf Blatt gebrachten Zeichnung in blauer Kreide. Man spürt, dass sich Fischer-Dieskau mit seinem Gegenüber eindringlich auseinandersetzt. Diesen Eindruck unterstreicht etwa sein Porträt der Malerin Ursula Fischer-Fabian, der Frau des Schriftstellers Siegfried Fischer-Fabian, oder ein Bildnis des Berliner Politologen Richard Löwenthal, lässt sich aber auch an den Porträts von Persönlichkeiten der Musikgeschichte ablesen. Die Ausstellung zeigt u. a. eine temperamentvolle Bleistiftzeichnung von Hugo Wolf - in diesem Jahr veröffentlichte der Musiker eine Biografie des Komponisten, aus der er am 15. Oktober in der Heidelberger Universität Auszüge lesen wird - neben einem Ölbild von Carl Friedrich Zelter (auch dem Leiter der Berliner Singakademie und Goethe-Duz-Freund hatte der Künstler vor 6 Jahren eine Lebensbeschreibung gewidmet). Die Liebe zu seiner Heimatstadt schlägt sich in Fischer-Dieskaus "Berlin Schloßseite" (mit einer breit ins Bild gebrachten Spree) nieder und in einer lichten Havel-Ansicht. Mediterrane serenità kennzeichnet die Urlaubsimppression "Italienisch", stille Melancholie spricht aus "Letzter Schnee", und überaus treffend mit dem eng an eng stehenden Personen geriet die Vernissage-Situation in "Ausstellung". Sehr persönlich muten diese durch eigene Erfahrungen gespeisten Darstellungen an, und gelegentlich schimmert auch der Theatermensch Dietrich Fischer-Dieskau durch. Wie Bühnenentwürfe erscheinen "Park bei Nacht" oder "Höhlenweg". Die Ausstellung, zu der Johannes Christoph Wassmann, ein guter Kenner von Fischer-Dieskaus Vita und Werk, die Einführungsrede hielt, ist bis zum 15. Oktober zugänglich. Di-Fr 11-13 und 15-19 Uhr, Sa/So von 11-13 Uhr. |
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