Berliner Morgenpost 28. Februar 2005 Klassik: Denkwürdiges Konzert zum Dom-Jubiläum Dies war ein würdiges, von Nachdenklichkeit gekennzeichnetes Sonderkonzert zum 100jährigen Bestehen des Berliner Doms. Das Gebäude läßt sich kaum anders ehren als durch einen weltlichen Trauergottesdienst: es hat nicht nur, lange vor der Sprengung des Stadtschlosses, das bauliche Ensemble der Museumsinsel zerstört - es symbolisiert in seinem wilhelminischen Größenwahn auch den Anfang jener Epoche, die 1945 mit der Zerstörung halb Europas endete. Der Zusammenhang wurde vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und seinem Chef Marek Janowski hörbar gemacht, indem sie im Konzerthaus (nicht etwa im Dom!) mit Schönbergs "Ein Überlebender aus Warschau" eröffneten. Dietrich Fischer-Dieskau, der Bariton des Jahrhunderts, deklamierte die Sprechrolle in gewohnter Eindringlichkeit. Er vergegenwärtigte uns für Augenblicke die bebende Verzweiflung der Opfer, die gellenden Befehle der Nazi-Schergen, er verlieh Schönbergs Werk den ihm gebührenden Sonderstatus. Das Orchester verwandelte sich begleitend in eine bis zum Brechen gespannte Stahlfeder. Danach: Stille. Man gestattete sich den Applaus erst nach reiflicher Überlegung. Auch Schuberts As-Dur-Messe ist ungeeignet für Jubelfeiern. Sie tilgt das Bekenntnis zur allein seligmachenden, apostolischen Kirche aus dem Messetext, und sie hüllt die von Zweifeln geplagte Religiosität in ein mildes Licht. Dem Rundfunkchor Berlin, obgleich nicht ganz so präsent wirkend wie andernorts, gelang im Konzerthaus schlichtweg Wunderbares: das wie beiläufig hingeworfene Domine Deus, der markante Konsonantenroller im Crucifixus, das kosmische Crescendo des Sanctus Dominus, all das bestätigte wieder einmal die Sonderklasse dieses Chores, dessen Kunst geradezu süchtig macht. Nach einer Stunde übrigens war es schon vorbei mit diesem denkwürdigen Konzert - mehr gibt es zum Dom auch nicht zu sagen. tar |
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