Berliner Morgenpost 23.1.2003
In der Japanischen Botschaft gab es Grund zum Anstoßen. Im Rahmen einer Feierstunde bei Sekt und Sushi erhielt der Sänger Dietrich Fischer-Dieskau den Praemium Imperiale - den mit 15 Millionen Yen (120.000 Euro) weltweit am höchsten dotierten Kunstpreis. Zahlreiche Preise hat Dietrich Fischer-Dieskau in seinem Leben bekommen. Die Auszeichnung mit dem Praemium Imperiale der Japan Art Assiciation ist für den weltbekannten Bariton aber doch etwas ganz Besonderes. Schließlich wird die japanische Auszeichnung immer wieder mit dem Nobelpreis verglichen, den es im künstlerischen Bereich nur für die Literatur gibt. Zu Japan hat der Sänger eine sehr enge Beziehung. Mindestens einmal im Jahr ist er zwischen 1963 und 1991 in das asiatische Land gereist, um Liederabende zu geben oder auf der Opernbühne zu stehen. «Dietrich Fischer-Dieskau hat sich in außergewöhnlichem Maß für die Verständigung zwischen den Kulturen eingesetzt», sagte der japanische Botschafter Yushu Takashima. «Die Liebe zur klassischen Musik ist ein enges Band zwischen Japan und Deutschland.» Im Auftrag des japanischen Prinzen Hitachi überreichte der Botschafter Dietrich Fischer-Dieskau eine goldene Medaille und das Preis-Diplom. «In Anerkennung seiner außergewöhnlichen Verdienste für die Künste» steht darauf. Dietrich Fischer-Dieskau zählt zu den bedeutendsten und einflussreichsten Musikern des 20. Jahrhunderts. Mit seinen Liedinterpretationen hat er weltweit Maßstäbe gesetzt. Kaum ein zweiter Künstler hat in den letzten Jahrzehnten so viel zur Verbreitung des romantischen Klavierliedes beigetragen. Auch als Opernsänger zählte er zu den Größten seines Fachs. 1947 hat der gebürtige Berliner seine Sängerkarriere begonnen. Die Deutsche Oper Berlin und die Bayerische Staatsoper in München wurden zu seinen Stammhäusern. Auch bei den Bayreuther und Salzburger Festspielen, in Wien, London und nicht zuletzt in Tokyo war er regelmäßig zu Gast. Auf der Opernbühne sang er nicht nur Mozart, Verdi, Puccini und Wagner, sondern setzte sich auch für zeitgenössische Werke ein. Unter anderem übernahm er Hauptpartien in Hans Werner Henzes «Elegie für junge Liebende» und Aribert Reimanns «Lear». 1992 zog sich Fischer-Dieskau von der Bühne zurück. Als Dirigent, Maler, Autor und Pädagoge ist er aber weiterhin tätig. Sein Buch «Hugo Wolf - Leben und Werk» ist vor kurzem im Berliner Henschel-Verlag erschienen. Zurzeit arbeitet er an einem neuen Buch über Goethe. Die offizielle Zeremonie zur Verleihung des Praemium Imperiale fand bereits am 23. Oktober in der Meiji Memorial Hall in Tokyo statt. Dort haben die anderen Preisträger des Jahres 2002 ihre Auszeichnungen in Empfang genommen: Sigmar Polke (Malerei), Giuliano Vangi (Skulptur), Norman Foster (Architektur) und Jean-Luc Godard (Theater/Film). Dietrich Fischer-Dieskau konnte an der Feier nicht teilnehmen, weil er mit 77 Jahren aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr so weit fliegen darf. «Wenn für mich in ferner Vergangenheit ein sängerisches Engagement abzusagen war, etwa weil ich Schnupfen hatte, vergrub ich mich zuhause und pflegte mein Selbstmitleid. Heute ist es anders, da macht sich der Berg auf zum Propheten», freute sich der Sänger über die Nachfeier in Berlin. Er würdigte den Praemium Imperaile als eine große Chance: «Er verteidigt die Einheit von Leben und Ästhetik. Der Preis gibt vielen Menschen neue Hoffnung. Dafür sind wir Japan zutiefst verpflichtet.» Shigeaki Hazama, der Vorsitzende des Praemium-Imperaile-Kommitees und Vizepräsident der Japan Art Association, ließ ein Grußwort verlesen, in dem er Fischer-Dieskaus großen Beitrag zur Entwicklung der klassischen Musik in Japan würdigte. Bei der Feierstunde waren Fischer-Dieskaus Ehefrau, die Sängerin Julia Varady, und Richard von Weizsäcker zugegen. Der Alt-Bundespräsident ist Mitglied im internationalen Beraterkommitee der Japan Art Association und hat den Sänger für die hohe Auszeichnung vorgeschlagen. «Ich kenne niemanden, dem ich in der Musik so viel verdanke wie Dietrich Fischer-Dieskau. Wen könnten wir Deutschen uns Würdigeren vorstellen, um den Praemium Imperiale entgegenzunehmen?» fragte Richard von Weizsäcker, bevor er dem Sänger seinen Glückwunsch aussprach und das Glas auf ihn erhob. |