Merkur Online 29.06.2004
Wenn ein Maler so singen könnte . . . Die neue Sprache eines großen Musikers: Dietrich Fischer-Dieskaus Bilder im "Fischerbau" Polling - Im "Fischerbau", dem für kulturelle Nutzung bestens restaurierten, 1745 von Johann Michael Fischer für die Klosterbrauerei errichteten Gebäude der ehemaligen Klosterbrauerei, steht auch ein Flügel. Und wenn im Mittelpunkt der Veranstaltung, zu der sich ein gepflegtes Publikum über die Kabel des Bayerischen Fernsehens Zugang verschafft, einer der berühmtesten Musiker der letzten 50 Jahre steht, dann werden auch musikalische Erwartungen geweckt. Doch kein einziger Ton wird bei der von Dorothée und Michael Jarnach veranstalteten Vernissage erklingen. Schließlich geht es nicht um die in zahllosen Aufnahmen verewigte Sangeskunst des gefeierten Lied-, Oratorien- und Opernsängers Dietrich Fischer-Dieskau, sondern allein um den nicht minder begabten, aber weit weniger bekannten Maler. Ein Studium der bildenden Künste hat er nie absolviert, von einem berühmten Lehrmeister ist in der feinsinnigen Laudatio des Freundes Dr. Manfred Osten nicht die Rede. Doch Einflüsse großer Meister sind allenthalben spürbar, hat der Maler doch Ausflüge in die verschiedensten Stilrichtungen unternommen. Auf Daumier wird eigens hingewiesen, aber auch die Expressionisten, Kokoschka und die Abstrakten haben deutliche Spuren hinterlassen. Schnell ist klar: Den Maler, der so singen kann, wie der Sänger Fischer-Dieskau malt, den dürfte es nicht geben. An der Dichte der Betrachtergruppen vor den einzelnen Gemälden und Zeichnungen kann man erkennen, was am meisten Beachtung findet. Es sind nicht gerade die Landschaften, die den Blick bannen, es ist der Menschendarsteller Fischer-Dieskau, der fasziniert. Hier hat er Entscheidendes aus seinem Hauptberuf als musikalischer Charakterdarsteller in seine Malweise eingebracht. Dass er seiner Liebe und Verehrung für die Gattin und Kollegin Julia Varady in vielen, auch sehr stimmungsverschiedenen Darstellungen Ausdruck gibt, erscheint selbstverständlich. Als Porträtist von Freunden, Komponisten und Dirigenten steht er den Großen des Faches kaum nach. Vor dem Bild von Ferenc Fricsay steht man gebannt und verstört, die Pianistin Argerich ist mit einer knappen Tuschezeichnung nur allzu treffend charakterisiert, das Porträt von Heinz Friedrich, verstorbener Präsident der Bayerischen Akademie der schönen Künste, bringt dessen bezwingenden Intellekt, Charme und Humanismus adäquat zum Ausdruck. Dass Fischer-Dieskau auch klassische wie moderne Opernrollen von der Bühne auf die Leinwand transponiert, verwundert nicht. Der sich einst mit Verdis "Falstaff" oder Aribert Reimanns "Lear" musikalisch und darstellerisch auseinander zu setzen hatte, dem gelingt es auf ergreifende Weise, die Seele dieser Figuren zu porträtieren. Hier tritt eine eher Wissen um die Tragik verborgene Seite des Malers Fischer-Dieskau zu Tage, die nachdenklich macht: Wissen um die Tragik des Menschlichen, Betroffenheit vom Leid dieser Welt. Nicht umsonst hat er sich der Herausforderung eines ergreifenden Tryptichons über die Passion Christi gestellt. Hier ist kein Hobbymaler und dilletierender Pensionist am Werk. Einer der ganz Großen der Musik hat eine neue Sprache gefunden. Heribert Muser Bis 3. Oktober im Pollinger Fischerbau (Sa/So 14-18 h und n.V.: 0881/7869). mm |
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