Zur Oper am 21. Juli 1959 in Salzburg

unbekannte Presse, 25. Juli 1956

Mozart – Salzburgs Sonne allezeit

Versprechender Aufklang der Festspiele

Salzburg, 25. Juli. (Eigener Bericht). Die 88 Veranstaltungen, die das Programm bis Ende August vorsieht, sind bereits restlos ausverkauft. Nicht geringe Sorgen schaffen Herrn Grundner, dem Leiter des Pressebüros im Festspielhaus, die Ansprüche der international zusammengewürfelten Journalisten und Kritiker - selbst Negerzeitungen aus Südamerika und Afrika möchten berücksichtigt sein. Aber Herrn Grundner stehen im besten Falle 70 Karten pro Premiere zur Verfügung - es scheint, daß etwa neun Zehntel der Pressevertreter unverrichteterdinge die Salzachstadt wieder verlassen werden.

Salzburgs Ruhm ließ Wien nicht ruhen. Man hat dort mit Verleumdungen operiert und geschrieben, mit Beginn des Festivals seien in Salzburg die Lebensmittelpreise um das Sechsfache(!) in die Höhe geschnellt und ähnliche Dinge, die jeder Grundlage entbehren.

Bei der Eröffnung mit zahlreichen Ehrengästen im neugestalteten Foyer des Festspielhauses, das wieder die herrlichen Fresken Anton Faistauers mit ihren Szenen aus musischen Bezirken von der Antike bis zur Gegenwart zieren, die 1939 als "Entartete Kunst" entfernt wurden, führte Landeshauptmann Dr. Josef Klaus u.a. aus: "Wenn am Himmel der Musik 1956 Mozart in aller Welt die Sonne ist, so bleibt er in Salzburg die Sonne zu aller Zeit. Was unsere Festspiele außer Mozart bieten, kreist wie ein Planetensystem um seine sonnenhafte Musik, die mehr als jede andere Licht, Wärme und echte Lebensfreude in unsere Welt bringen kann." Der greise österreichische Staatspräsident General a.D. Dr.h.c. Theodor Körner hieß die Gäste aus dem Ausland im Namen Österreichs als "ein völlig freies, jeder Vormundschaft lediges Land willkommen, das nun erst voll und zwanglos jene Gastfreundschaft entfalten kann, die dem Österreicher nicht Pflicht sondern Freude ist, weil sie ihm vom Herzen kommt".

Vom Auftakt der Festspiele, der eine Neuinszenierung des "Figaro" unter Oscar Fritz Schuh (Regie) und Karl Böhm als Dirigent des Orchesters der Wiener Philharmoniker (Le Nozze di Figaro) bescherte, läßt sich sagen, daß hier nicht die herkömmliche Opera buffa erklang, sondern eine Musikkomödie, die Zeugnis ablegt von einem Nachempfinden, das in diesem Werk das reinste Abbild des Meisters der graziösen Ironien erblickt. Dietrich Fischer-Dieskau gelangte zu einem glänzenden Debüt in der Partie des Grafen Almaviva. Elisabeth Schwarzkopf (Gräfin), Irmgard Seefried (Susanne), Elisabeth Höngen (Marcellina), Christa Ludwig (Cherubino d'amore) und Erich Kunz als Titelheld schufen ein ideales Ensemble, das in vorbildlicher Manier Gesangs- und Spielkultur zu vereinen verstand.

Karl Kuehne

Die WELT, 3. September 1956

Ein sechsgliedriger, fünfmal wiederholter Zyklus der theatralischen Meisterwerke Mozarts bildete den Kern der musikalischen Darbietungen der Salzburger Festspiele im Mozartjahr 1956. Den Auftakt brachte eine in jeder Beziehung perfekte Neueinstudierung von "Figaros Hochzeit", Caspar Neher hatte einen szenischen Rahmen geschaffen, der in den drei ersten Bildern mit den einfachsten Mitteln eine Atmosphäre erlesener Vornehmheit herstellte und über das letzte Bild ein grünes Netzwerk breitete, in dem sich die Intriganten des "tollen Tages" sehr anmutig verfingen.

In diesem Milieu bewegte der grundmusikalische Regisseur Oscar Fritz Schuh die Figuren derart, daß wirklich jede melodische Wendung, jedes Wort des italienischen Textes und jede szenische Anmerkung des genialen Librettisten Da Ponte in beziehungsvoller Gestik zum Ausdruck gebracht wurde. Unter den durch Karl Böhm zu höchster Lebendigkeit angeleiteten Sängern erregte der mit jugendlichem Brio agierende und singende Dietrich Fischer-Dieskau, der zum erstenmal in Salzburg erschien, als feuriger Graf Almaviva besonders Aufsehen.

unbekannte Presse

Man muß "Figaros Hochzeit" in Salzburg, und zwar im italienischen Urtext gesungen, hören, will man recht erkennen, daß Mozarts Meisterschaft hier jenen höchsten Rang des Exemplarischen erreichte, in dem das einmalig Persönliche in der Gültigkeit des Allgemeinen doch wieder nur denkbar erscheint in der letzten Ausprägung einer individuellen Vollendung. Als sei diese Oper aus noch leichterem lichteren Stoff als es Töne sind, so erschwert, so dynamisch bewegt, aber auch so einzigartig persönlich, steht sie in der leicht verstaubten Pracht des Festspielhauses. Und wenn Karl Böhm das Presto der Ouvertüre in das spielerische Grazioso mozartischer Farbtöne hüllt, muß man einen Augenblick lang an ein Wort des untadeligen Mozartkenners Bruno Walther denken, das er soeben in der "Mappe eines Musikers" veröffentlichte: "Der Interpret muß wohl demütig sein, aber seine Persönlichkeit kann trotzdem vor dem Werk wachsen."

Wer etwa die unvergessene Aufführung des "Figaro" im Redoutensaal der Wiener Hofburg kennt, die Böhm vor etwa 15 Jahren dirigierte, und wer jetzt seinen Salzburger "Figaro" hörte, der findet an diesem Beispiel das Wort Bruno Walthers bestätigt: Böhm ist vor und mit dem Werk gewachsen. Oscar Fritz Schuh stellt in die göttliche Komödie Mozarts keine Typen, sondern Menschen, die sich wie ein Ring von Toren und Weisen um die Liebe reihen, und Susannes Wort "Alles lockt uns zu Liebe, Freud' und Wonne" ist die Herzmitte des "Tollen Tags". Wohl spürt man bei dem höchst absolutistisch eingestellten Grafen, dem Dietrich Fischer-Dieskau den fülligen Glanz seines großartigen Baritons leiht, daß das Wetterleuchten am politischen Horizont kommen muß, und Figaro, von Erich Kunz in den Goldton des BeIcanto gehüllt, trumpft und muckt gehörig auf. Aber im Grunde singen und sagen alle nur vom Jubel und vom Schmerz der Liebe: die Gräfin, in deren Arien Elisabeth Schwarzkopf die Tränen mozartischer Melancholie tropfen läßt, Susanne, für die Irmgard Seefried alle stimmliche Koketterie und jegliche darstellerische Spitzbüberei bereit hat. Cherubino, dessen Brust von allen Wundern der Liebe bedrängt ist, und den Christa Ludwig mit perlendem Sopran singt.

Ueberhaupt: es war ein Fest erlesenen Gesanges, wie man es in dieser Vollendung kaum je auf deutschen Bühnen erleben durfte. Auch die kleineren Partien waren randvoll Stimmkultur: Elisabeth Höngen (Marcellina), Basilio (Peter Klein), Bartolo (Oskar Czerwenka). Und es war ein Fest erlesenen Orchesterklanges, denn die Wiener Philharmoniker spielten den schönsten Mozart, den man sich denken kann. Caspar Nehers Bühnenbilder aber gipfelten in dem raumgreifenden Treppenbau des dritten Aktes.

Enthusiastischer Beifall des internationalen Parketts. Im Foyer spielten dazu die Frauen, die ihren "Putz zum besten gaben, ohne Gage mit." Auch das gehört zu den Festspielen in Mozarts Geburtsstadt.

 

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