Zum Konzert am 31. Juli 1956 in Ansbach

    

     Zeitung und Datum nicht bekannt.     

    Herausgeber und Verleger (lt. Impressum): Hans Horst Ziegler

 

Letzter Kantatenabend in der St. Gumbertuskirche

Überwältigendes Zeugnis der unerschöpflichen Gestaltungskraft Johann Sebastian Bachs

     

Dieser letzte Kantatenabend in St. Gumbertus war dem Gedenken an Thomaskantor Professor Dr.h.c. Günther Ramin gewidmet. Sein ehemaliger Schüler Karl Richter ließ dieses Gedenken zu einer wahrhaft würdigen Feierstunde werden. Mit einer Intensität und Hingabe an das Werk Bachs, die nach den physisch und psychisch strapazierenden Leistungen der vergangenen Tage fast unheimlich ist, gestaltete der junge Meister seiner Materie diese Kantaten so, daß sie zu sprechendem Zeugnis Bachscher Tonschöpfung wurden.

Am Anfang stand die Kantate Nr. 137 "Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren" – werkmäßig die Aussage der letztgültigen Form Bachscher Choralbearbeitung, in der Wiedergabe ein offenes, freudiges Bekenntnis zu Gott. Während sich die drei Gesangssolisten in die als Arien komponierten Choralstrophen teilten, kam am Anfang und Ende dieser Kantate der klangprächtige Münchner Bach-Chor zu Wort. Das Ensemble der Gesangssolisten erfuhr wiederumg eine geniale Erweiterung durch Dietrich Fischer-Dieskau (Baß). Obwohl sich letzterer in dem Duett dieser Kantate der Sopranistin Antonia Fahberg gegenüber zuvorkommend zurückhielt, ließ er doch auch hier schon etwas von jener mächtigen Tonfülle ahnen, der er in der Baßkantate Nr. 56 freies Spiel ließ. Locker und mit schlanken Koloraturen sang Peter Pears die Tenorarie.

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Den Höhepunkt dieses letzten Kantatenabends bildete wohl die Baßkantate Nr. 56 "Ich will den Kreuzstab gerne tragen". Hier ließ Dietrich Fischer-Dieskau sämtlichen Registern seiner einmaligen Stimme freien Raum. Von zarter Verhaltenheit bis zu mächtiger Tongebung, von makelloser Reinheit und Überzeugungskraft seine Modulationsfähigkeit, von weicher Versunkenheit bis zu impulsiver Steigerung erlebte der Hörer alle musikalisch und inhaltlich gegebenen Stimmungen. In kraftvoller Dramatik erstand das erste Rezitativ, geschmeidige Koloraturen beseelten die zweite Arie. Erschütternd die Gestaltung der Worte "Da leg ich den Kummer auf einmal ins Grab". Der Übergang von diesem Rezitativ zum Choral wurde zu einem Meisterstück Richterscher Chorleitung: Aus dem verklingenden Part der Solostimme wuchs der Gesang des Chores fast sichtbar in den Raum der Kirche. Bei diesem Schlußchoral ahnte man den Begriff "Gott".

Den ergreifenden Schluß dieses Gedenkkonzertes bildete die Kantate Nr. 140 "Wachet auf, ruft uns die Stimme". Man glaubt, die präzisen Einsätze des cantus firmus mit Händen greifen zu können. Die strahlende, tragende Klangschönheit des Sopranes leuchtete hier noch einmal auf. Das Tenor-Rezitativ war von jener gläubigen Zuversicht, die J.S. Bach erfüllt haben mag. Wundervoll die Gestaltung des Duettes Sopran – Baß, dem sich Otto Büchners Violinsolo kammermusikalisch anpaßte. Die leichte Höhe des Chor-Tenors frappierte in der Choralbearbeitung Nr.4. Klanglich abgerundet wurde dieser Teil durch den satten Klang der Streicher. Mit mächtigem Klang erfüllte der Schlußchoral das Kirchenschiff.

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Der Münchner Bach-Chor und die Solistengemeinschaft der Bachwoche Ansbach, Gesangssolisten und Instrumentalsolisten haben sich in dieser Gedenkstunde selbst übertroffen. Der Abend wurde zu einem feierlichen, ergreifenden Schlußgottesdienst der neunten Bachwoche Ansbach.

-zg-

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