Zur Oper am 19. August 1964 in Salzburg

Oper und Konzert, München, 20. September 1964

Macbeth

Felsenreitschule

Oskar Fritz Schuhs Inszenierung war in ihrer großartigen Einfachheit dem düsteren Drama ebenso angemessen wie der heroische Schauplatz der Felsenreitschule. Wolfgang Sawallisch beschwor das Unheimliche und Ungeheure, das der junge Verdi auch in einfachste, oft primitiv scheinende Musikformen gebannt hat. Einen besonders gespenstischen Effekt ergab der eigentümlich flache, kinderchorähnliche Klang der Hexenstimmen. Die Leistungen der beiden Hauptdarsteller waren grandios; man vergaß, daß eigentlich beide von Haus aus nicht für ihre Rollen prädestiniert schienen. Dietrich Fischer-Dieskau gestaltete Macbeth mit beklemmender Intensität. Seinem kostbaren lyrischen Bariton - diesem unvergleichlich beherrschten und restlos der Gestaltung dienstbaren Instrument - verlangte er dramatische Effekte ab, ging an das Material mit einer Brutalität, die die Stimme manchmal derart überforderte, daß man sich wundern mußte, wie dieser einzigartige Virtuose der Stimmbänder unmittelbar nach härtesten, oft geradezu mörderischen Ausbrüchen in blühendem Belcanto weitersingen konnte. Fischer-Dieskaus schauspielerische Leistung überragte womöglich noch die gesangliche, wenn man bei ihm auch diese beiden Komponenten keinesfalls auseinanderhalten und getrennt betrachten kann: die Stimme hat Grenzen, die Gestaltung nicht.

Bei Grace Bumbry war es gerade umgekehrt, ihr edler, metallischer Mezzosopran schien keine Grenzen zu haben: gewaltig die Tiefe, staunenswert die Höhe - letztere allerdings gelegentlich zu Schärfe neigend - von extremer Spannweite der Dynamik und des Ausdrucks. Tempi und Farben werden mit unfehlbarem musikalischen und gestalterischen Sinn und vollendeter Gesangskunst differenziert. Aus der Stimme brechen alle Gefühle der Besessenen, gehetzten Mörderin, im Spiel aber bleibt sie maßvoll, in den Schranken der Harmonie.

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Hans Huber

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