Zum Konzert am 26. April 1966 in Essen


Neue Ruhr-Zeitung, Essen, 28. April 1966

Berühmte Solisten – großes Orchester

Keilberth – Fischer-Dieskau – Haefliger und die Bamberger Symphoniker

Erst ein- oder zweimal ist Gustav Mahlers "Lied von der Erde", das am Dienstag zusammen mit Beethovens erster Sinfonie auf dem Programm des letzten Abonnementskonzerts der Essener Konzert-Direktion stand, in Essen erklungen. Die Bamberger Symphoniker spielten unter der Leitung ihres Chef-Dirigenten Joseph Keilberth und die Solisten waren Ernst Haefliger (Tenor) und Dietrich Fischer-Dieskau (Bariton).

Mahlers Zyklus in sechs Gesängen für Alt (Bariton), Tenor und Orchester nach altchinesischen Gedichten entstand zwischen seiner 8. und 9. Sinfonie. Die Gedichte entstammen der Sammlung Hans Bethges "Die chinesische Flöte". Das einstündige Werk wurde erst nach dem Tode Mahlers 1911 von Bruno Walter zum ersten Male aufgeführt. Es ist ein sehr persönliches Bekenntnis Mahlers, ein Lied vom Irdischen, vom Werden und Vergehen, von Lebenslust und Abschiednehmen. Der Zyklus ist kennzeichnend für das Weltbild Mahlers, das bei aller Freude an der Schönheit des Menschenlebens und der Natur sich stets der Vergänglichkeit bewußt bleibt.

Das umfangreichste und berührendste Stück und zugleich das aufschlußreichste ist das letzte "Der Abschied", das über den Pessimismus hinaus, das über die Trauer des Abschiednehmens doch noch einen tröstlichen Gedanken kennt.

Über die hervorragenden Bamberger Symphoniker braucht nicht viel gesagt zu werden. Sie sind ein großartiges Orchester, das unter Joseph Keilberth, der zu den ersten Dirigenten der Gegenwart zählt, ein klangschönes, sensibel reagierendes Instrument war und Mahlers Intentionen in makelloser Weise verwirklichte. In Dietrich Fischer-Dieskau stand ein Bariton zur Verfügung, der seine Partie mit warmer Stimme, Musikalität und hoher Vortragskultur, zumal den "Abschied", in ergreifender und vorbildlicher Weise zu gestalten verstand. Hinter ihm stand Ernst Haefliger hinsichtlich der Ausdrucksgestaltung nicht zurück, er hatte es jedoch nicht leicht, mit seiner schmaler fundierten Tenorstimme gegen den Samtcharakter der Stimme Fischer-Dieskaus anzukommen. Zudem ist auch die Baritonpartie reicher und günstiger. Die ausgewogene instrumentale und vokale Wiedergabe hinterließ nachhaltige Eindrücke und die Mitwirkenden wurden entsprechend gefeiert.

Die erste Sinfonie Beethovens, die den Abend einleitete, kam mit aller Leichtigkeit, Geschmeidigkeit und Klarheit. Die Wiedergabe unter Keilberths konzentrierter, sich auf sparsame Gesten beschränkender Leitung und des exzellenten Bamberger Orchesters ließ deutlich werden, in welchen Bezirken diese Sinfonie noch beheimatet ist und daß die Nähe Mozarts spürbar bleiben muß, wenn man dem Werk völlig gerecht werden will. Das geschah in der schönsten Weise und das Publikum wußte auch dafür herzlichen Dank.

F. F.

zurück zur Übersicht 1966
zurück zur Übersicht Kalendarium