Zum Konzert am 5. Oktober 1969 in Berlin


Der Tagesspiegel, Berlin, 7. Oktober 1969

Das Konzert mit barocker Kammermusik in der Philharmonie, bei dem besonders Dietrich Fischer-Dieskau und Aurèle Nicolet solistisch hervortreten, ist jetzt eine alljährlich wiederkehrende Institution geworden. Diesmal mußte man ziemlich lange auf wirklich gehaltvolle Werke warten. Johann Rosenmüllers Strophenlieder-Kantate "Von den himmlischen Freuden" oder Telemanns Kirchenkantate "Erquicktes Herz, sei voller Freude" sind durchschnittliche Kompositionen, so daß auch Fischer-Dieskaus gestalterisches Engagement ihnen nicht aufhelfen konnte. Auch die Flötensonate e-Moll Opus 9 Nr. 2 von Jean-Marie Leclair war kein besonders dankbares Objekt für Aurèle Nicolets Interpretationskunst. Wirklich herzlich wurde der Beifall dann auch erst nach dem "Pièce en Concert" Nr. 5 von Rameau, in dem Nicolet und Georg Donderer vor den glitzernden Cembalo-Figuren von Edith Picht-Axenfeld einen tonschönen Flöte-Cello-Dialog musizierten. Purcells Kantate "When night her purple veil", eine melancholische Schäferklage mit Begleitung von Flöte und Violine (Koji Toyoda), wurde dann das grandiose Schlußstück, in dem sich Fischer-Dieskaus hochexpressive Differenzierungskunst voll entfalten konnte.

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