Zum Konzert am 14. März 1973 in Bonn


    

     Frankfurter Allgemeine, 5. April 1973     

Revision nach hundert Jahren

Max Reger-Gedenktage in der Oberpfalz und in Bonn

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Das Bonner Orchester hat sich unter Wangenheim respektabel präsentiert. Für den "Hymnus der Liebe" op. 136 und den "Einsiedler" op. 144 a war Dietrich Fischer-Dieskau als Solist gewonnen worden. Ihm dankte man, vor allem in dem Eichendorff-Gedicht, trotz aller oder gerade durch alle unbewegt objektivierende Zurückhaltung der Interpretation den Einblick in eine das romantische Klischee durchstoßende Klangwelt der üppig opalisierenden, grübelnd pessimistischen Valeurs.

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Friedrich Hommel

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     Die Welt, Ausgabe H,  21. März 1973     

Max R. - ein kaisertreuer Spießbürger?

Reger-Tage zum 100. Geburtstag in Bonn

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Dietrich Fischer-Dieskau gesellte sich zum Orchester der Beethovenhalle Bonn unter Volker Wangenheim für den "Hymnus der Liebe" und den "Einsiedler" (mit dem Philharmonischen Chor der Stadt Bonn). Wangenheim und Fischer-Dieskau legten es auf Klarheit des Klangbilds an und rückten die Werke so noch näher an Wagners "Tristan"-Verklärungen heran, als sie ohnehin schon angesiedelt sind. Das neobarocke Konzert im alten Stil und die schwülen Vier Tondichtungen nach Arnold Böcklin umrahmten Fischer-Dieskaus an Ausdruck überbordende Gesänge.

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Das Publikumsinteresse an diesen Reger-Tagen blieb mager; leere Plätze in Fülle. Und das verbreitete Vorurteil, Reger-Musik sei eine erhabene, doch langweilige Sache, wurde von den Konzerten weitgehend bestätigt.

Reinhard Beuth

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     Rheinische Post, Düsseldorf, 16. März 1973     

Musik-Schwitzbad mit Max Reger

Zwei Konzerte in Bonn / Fischer-Dieskau sang "Hymnus der Liebe"

    

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(Fritz) Riegers Einstellung zu Reger stellte Volker Wangenheim am zweiten Abend mit dem Orchester der Beethovenhalle eine genau proportionierte, dynamisch weit aufgefächerte und geistvolle Darstellung (bei hervorragenden Leistungen des Solo-Klarinettisten und des Sologeigers Rudolf Gählert) der Böcklin-Suite entgegen, während ich mich für das Konzert im alten Stil op. 123 allein vom Stück her nicht erwärmen konnte. Hier ist die allzu große Routine des Viel- und Schnellschreibers Reger spürbar.

Hauptinteresse in diesem Programm kam zwei Vokal-Kompositionen zu: dem Bariton-Orchesterlied "Hymnus der Liebe" op. 136 und dem Eichendorffschen "Einsiedler" für Bariton, Chor und Orchester op. 144 a. Beide stehen für den "Altersstil" des mit 42 Jahren gestorbenen Reger. Im "Einsiedler" ist der formale und klangliche Einfluß von Brahms nicht zu überhören. Dietrich Fischer-Dieskau sang beide Partien ohne seine oft so irritierenden Manierismen in der Sprachbehandlung mit durchgehend warm beseeltem Timbre, das der Sonorität wie der spätromantisch-verdämmernden Weltschmerz-Stimmung in höchster Weise gerecht wurde. Weich im Ansatz und mit nobelstem Wohlklang ordnete sich der Philharmonische Chor zu, von Wangenheim samt dem Orchester souverän geführt.

Das waren zwei Wiederentdeckungen, derentwegen sich die Überprüfung unseres gängigen Konzert-Repertoires lohnt.

Hanspeter Krellmann

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     General-Anzeiger, Bonn, 16. März 1973     

Bariton-Gesänge und Böcklin-Suite

Dietrich Fischer-Dieskau Solist im 2. Orchesterkonzert

    

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Zwischen den Orchesterwerken gab’s zwei Beispiele des Vokalkomponisten Reger, "Hymnus der Liebe" von 1914 (dem als aus Biographie und Schaffen halt auch nicht wegzuleugnender "Kontrapunkt" die gleichzeitig entstandene Vaterländische Ouvertüre zumindest hinzuzudenken ist) und "Der Einsiedler" nach Eichendorffs berühmtem Gedicht. Es ist den Veranstaltern der Reger-Tage sehr zu danken, daß es ihnen gelang, Dietrich Fischer-Dieskau, Deutschlands gegenwärtig prominentesten Liedersänger, als Interpreten für diese Stücke zu gewinnen (wie es dem Künstler hoch anzurechnen ist, daß er sich zu dieser Sache jenseits aller Routine bewegen ließ). Denn zweifellos ist Fischer-Dieskau, im Stilbereich der Spätromantik durch seine Mahler-Exegesen etwa oder auch seine Versuche mit dem Bühnen-Wagner durchaus zu Hause, der heute ideale Interpret gerade auch Regerscher Gesänge. Wie er sich dabei mit Intelligenz und unfehlbarem Geschmack in die spezifischeren Stilbelange des Regerschen Orchestergesangssatzes einzuführen weiß, bewies er souverän an diesem Abend, in der verhaltenen, weithin unterschwellig bleibenden Ekstatik des "Hymnus" ebenso wie in der dumpf-elegischen Sphäre des "Einsiedlers": Es wurde eine Kunstleistung hohen Ranges.

Der Philharmonische Chor der Stadt Bonn, der die Chorzeilen im "Einsiedler" mit Akkuratesse und klanglicher Noblesse singend beisteuerte, wie auch das Orchester der Beethovenhalle unter Wangenheims Leitung zeigten sich begleitend dem vom Solisten vorgegebenen Niveau der Darstellung vollauf gewachsen. Und ganz allgemein gilt: Dieser Bonner Eigenbeitrag zur Hauptkonzertreihe der Reger-Tage stand in nichts dem Münchener Gastbeitrag vom Vorabend nach. Ovationen für den prominenten Solisten, stürmischer Beifall für die einheimischen Musiker und Sänger von Chor und Orchester und für ihren Dirigenten.

Hans G. Schürmann

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     Rhein-Zeitung, Koblenz, 17. März 1973     

Zehn Tage Reger mit Thema und Variationen

Aktuelle Begegnungen im Bonner Musikfest - Wie steht dieser Komponist in unserer Zeit?

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Auch Volker Wangenheim reduziert die Tondichte, wie sie Reger selbst dirigierte, am zweiten Abend. Das Orchester der Beethovenhalle und der Philharmonische Chor intonieren ein piano, das einnimmt für den "Hymnus der Liebe" nach dem Ludwig-Jacobowski-Text. Die schwebende Geschlossenheit dieses Hymnus und der Eichendorffdichtung "Der Einsiedler" sind verwoben im Stimmengeflecht mit dem Bariton von Dietrich Fischer-Dieskau. Seine Stimmkultur, der Adel des Ansatzes, die Wortdeutlichkeit, die Gemessenheit seiner Intonation gewinnen innigstes Verschmelzen mit Orchester und Chor zum Kunstwerk aller Stimmen.

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Der Beifall ist reich, insbesondere und mit Recht für die Lieder mit Fischer-Dieskau.

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Harry Lerch

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