Zum Liederabend am 4. August 1975 in Salzburg


    

     Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. August 1975     

Bei den Salzburger Festspielen

Sänger-, Dirigenten- und Orchesterparade

SALZBURG, 11. August

     

Romantik heißt nicht immer Blaue Blume. Sie hat ihre düsteren unheimlichen Winkel, wo nichts blüht als Furcht und Gruselgefühl. Da werden junge Jäger von schönen Waldfrauen geraubt, und im Zwielicht soll man auch dem Freund nicht trauen. Dietrich Fischer-Dieskau ist als Sänger mit den Drohungen der Nacht so vertraut wie mit dem Glanz des Tages. Doch seine Sammlung von Eichendorff-Liedern gibt der Dämmerung und Dunkelheit den Vorrang. Was er dem selig erschauernden Publikum im überfüllten Kleinen Festspielhaus vorsingt, ist eine Bilderfolge von Seltenheiten. Da sind drei Mendelssohn-Stücke aus mittlerer und später Zeit, je fünf Kostbarkeiten von Schumann und Hugo Wolf, und dazwischen Zeitgenössisches.

Dem eigentümlichen Eichendorff-Ton hat wie kein anderer Hans Pfitzner nachgespürt. Nicht nur in den Kantaten, von denen "Das dunkle Reich" zu seinen Gipfelwerken gehört. Ein Lied wie "Danzig", das Fischer-Dieskau in den Mittelpunkt der Gruppe stellte, ist mit seinem passacaglia-artigen Aufbau und der dissonanten Harmonik der zweiten Strophe unvergleichlich. Neben solcher Genie-Handschrift fallen die hübschen, von Mahler abhängigen Lieder Bruno Walters ebenso ab wie die zwar meisterlich geschriebenen, doch mehr illustrativ als kongenial erfundenen des Kaminski-Propheten Reinhard Schwarz-Schilling.

Was Liedvortrag bedeutet, wie er an die Grenzen stillen Monologs und dramatischen Maskenspiels dringen kann, das zeigte Fischer-Dieskau auf seine unnachahmliche, immer wieder überraschende und oft bezwingende Art. Stimmlich in guter Form wie seit langem nicht, konnte er jubeln und grollen, scherzen und klagen bis zu Identifizierung mit den Affekten der Dichtung und den Personen, die in Eichendorffs Sprache so anschaulich auftreten. Wie durch Farbfilter, die er ihm aufsetzt, wandelt er seinen Bariton zur Jünglingsstimme im Pagenlied, zum raunenden Erzählton in Schumanns "Zwielicht", zum schwärmenden Klang in Wolfs "Nachtzauber".

Wolfgang Sawallisch, Partner gleichen Ranges am Flügel, machte aus dem Konzert einen Duo-Abend, wie man ihn selten hört. Beifallsstürme und Zugaben ohne Ende.

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H. H. Stuckenschmidt

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     Kurier, Wien,  6. August 1975     

Salzburg: Fischer-Dieskau sang Lieder

Wie einst vor 25 Jahren

Auch zwei Lieder von Bruno Walter standen auf dem Programm: Dietrich Fischer-Dieskau sang im Kleinen Festspielhaus unterschiedliche Vertonungen von Eichendorff-Gedichten.

Er ist vor ein paar Wochen 50 Jahre alt geworden. An seine erste Wiener "Winterreise" im Herbst 1951 erinnere ich mich noch gut: Ähnliches hatte man zuvor kaum jemals gehört. Fischer-Dieskau singt also bereits ein Vierteljahrhundert lang. Mit unverminderter Konzentration, gleichbleibend analytischer Gestaltung, pedantischer Deklamation. Niemals hatte man den Eindruck, im Repertoire dieses Sängers habe bloße Routine Platz. Und man fragt sich: Wie macht er das?

Die Frage ist gerade jetzt aktuell. Denn was Plattenaufnahmen aus jüngster Zeit ahnen ließen, fand ich bei diesem Salzburger Konzert bestätigt: Fischer-Dieskau, der einen vor Jahren merkbaren Verlust an stimmlicher Schönheit und Kraft zunächst durch Überpointierung und erhöhten Nachdruck kaschieren wollte, hat zu einem Selbstverständnis gefunden. Er hat alles Gekünstelte überwunden. Er singt zwar genauso, wie er früher Lieder vortrug, aber es wirkt natürlicher.

Und damit schließt er dort an, womit er uns alle vor dem erwähnten Vierteljahrhundert überzeugt hat. Damals stand er nicht auf dem Podium, um einen neuen Stil des Liedgesanges zu propagieren. Er hatte sich über die Wechselwirkung von Text und Musik Gedanken gemacht, zwischen Ursache und ihrer Folge eine ideale Balance hergestellt, im Zweifelsfall aber immer das G e d i c h t singend interpretiert.

Man hat ihn und seine unverwechselbare Art des Vortrages dann zu einem Denkmal in eigener Sache gemacht, und irgendwann in den sechziger Jahren passierte es, daß Fischer-Dieskau zuweilen tatsächlich zur Leblosigkeit eines Denkmals erstarrt schien.

Um so schöner, beglückender, für mich – ich hatte ihn ein paar Jahre lang im Konzertsaal nicht mehr gehört – überraschender die Gelöstheit und Ruhe, mit der Fischer-Dieskau diesmal sein Programm vortrug.

Es war klug zusammengestellt, begann mit Mendelssohn Bartholdy, endete bei Hugo Wolf, brachte dazwischen Ausgewähltes von Pfitzner und einem 1902 geborenen Berliner Hochschulprofessor namens Reinhard Schwarz-Schilling, vor allem auch zwei Lieder von Bruno Walter. Die haben viel Poesie und versuchen, zwischen Schumann und Wolf zu vermitteln.

Und natürlich Robert Schumann, dessen Eichendorff-Vertonungen mir am treffendsten erscheinen, weil sie einem spezifischen Anliegen der romantischen Dichtung musikalisch ideal entsprechen, nämlich der Verbindung von Natur und Geist. Niemand ist es ähnlich präzise wie Schumann gelungen, Naturerlebnis und Naturstimmung nachzuempfinden und gleichzeitig zu objektivieren.

Das Programm umfaßte 23 Gesänge. Weitere sechs Lieder trug Fischer-Dieskau als Zugabe vor – am Ende eines langen und allen Anwesenden trotzdem zu kurzen Abends noch Schumanns "Mondnacht". Bis zuletzt war die Ausgeglichenheit der Stimme im Mezzavoce und in der Mittellage gewahrt, waren jeder Ton, jede Klangfarbe, jede dynamische Schattierung so placiert, wie der Sänger es wollte, und nicht etwa, wie er’s seinem Bariton zuliebe mußte...

Wolfgang Sawallisch, dessen pianistisches Können außergewöhnlich ist, begleitete mit großer Aufmerksamkeit und gestaltete den Klavierpart jedes einzelnen Liedes so typisch, so stilgerecht und so exakt, dazu auch mit so großer Einfühlung in die Stimmung jedes Textes, daß man aus dem Bedauern nicht herauskam. Aus dem Bedauern nämlich, daß der Dirigent Sawallisch dem Pianisten so wenig Zeit läßt zur Betätigung.

Karl Löbl

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     Die Presse, Wien,  6. August 1975     

Eichendorff in vielen Tönen

Liederabend Dietrich Fischer-Dieskaus in Salzburg

    

Vom Publikum enthusiastisch gefeiert, von Wolfgang Sawallisch kongenial begleitet, breitete der unbestrittene Erste des Liedgesangs bei den Festspielen für einen Abend seine Schätze aus: Dietrich Fischer-Dieskau mit Liedern nach Gedichten von Joseph von Eichendorff.

Von den wenigen möglichen Methoden, ein Programm zu gestalten, ist diese wohl die ihm gelegenste: Er nimmt Texte nur eines Dichters und zeigt, wie jeder Komponist seinen Beitrag zur Verewigung hier eben Eichendorffs leistete. Mendelssohn Bartholdy, Schumann, nach ihnen auch Hans Pfitzner mit einigen sehr schönen Liedern. Dann Bruno Walter, von dessen kompositorischem Schaffen man kaum etwas wußte, dann Reinhard Schwarz-Schilling, dessen musikalische und auch pädagogische Tätigkeit in der Nachfolge Regers und Pfitzners sich vorwiegend auf Berlin konzentriert, wo er heute ein geachteter Mann ist. Und zuletzt Hugo Wolf, dessen Affinität zu Eichendorff man wiederum kennt – so puristisch ist auch ein Fischer-Dieskau nicht, daß er einen Festspielliederabend konsequent mit Neuestem schlösse und sich die Gelegenheit zu einem populären Abgang in das Zugabenprogramm nähme.

Ich habe zu gestehen, daß mir an diesem Abend nicht so sehr die Vielfalt als vielmehr eine gewisse Zusammengehörigkeit all der Komponisten auffiel. Sieht man von den selbstverständlich vorhandenen Niveauunterschieden und einer sich leicht ändernden Sprache ab, so gleichen doch einander die Eichendorff-Vertonungen der eben erwähnten, in Nuancen fühlen sie gewiß sehr unterschiedlich, und jeder hat auch etwas Eigenes zu geben - doch insgesamt rührt der Dichter bei jedem der Musiker ungefähr die gleiche Grundstimmung auf, besteht auf einer besonderen Einstellung seiner Poesie gegenüber.

Freilich mag das auch Einbildung sein. Seit Jahren bewundere ich Dietrich Fischer-Dieskau unaufrichtigen Herzens. Seine Kunstfertigkeit ist unbestreibar, seine Beherrschung der Stimme, seine Freude an raschem Wechsel im Vortrag, seine bis zum letzten Ton der Klavierbegleitung anhaltende Wirkung auf das Publikum - mir stehen kaum die Mittel zur Verfügung, meine Einwände vorzubringen: die Herzlichkeit, die Unmittelbarkeit, das Natürliche, das sind Eigenschaften, die ich an Liedsängern auch bewundere und bei Fischer-Dieskau nicht finde. Im Detail könnte ich viele Fragen stellen, bei jedem Lied wenigstens eine, warum er gerade eine bestimmte Silbe plötzlich anschwellen läßt, wo es weder der musikalische Duktus noch das Gedicht verlangen.

Wenn hier Fischer-Dieskau also einer gewissen Manieriertheit geziehen wird, so handelt es sich dabei um meinen ganz persönlichen Eindruck und außerdem um einen Einwand, der nicht das besondere Format, die große Könnerschaft des Sängers anzweifelt.

Wolfgang Sawallisch, von dem eingangs gemeint wurde, er begleite kongenial, spielt das Klavier hervorragend, jedoch ganz unprätentiös, also in meinen Augen richtiger.

[...]

Nach Hugo Wolf kam der Applaus, kamen die Hochrufe, kamen die erbetenen und gewährten Zugaben. Der Liederabend Dietrich Fischer-Dieskaus, gottlob im Kleinen Festspielhaus und nicht wieder im zu großen Rahmen, war für die Festspiele ein voller, riesiger Erfolg.

Franz Endler

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     Salzburger Nachrichten, 6. August 1975     

Liederabend mit exakter Planung

Eichendorff-Lieder mit Dietrich Fischer-Dieskau und Wolfgang Sawallisch im Kleinen Haus

    

Dietrich Fischer-Dieskaus Liederabende verlängern die Linie kultivierten Gesangs zur gedanklichen Auseinandersetzung mit den ausgewählten Inhalten. Ein Sänger, dem praktisch das gesamte Spektrum des Kunstliedes zur Verfügung steht, kann Programme fern aller Zufälligkeit zusammenstellen, kann thematische Akzente beinahe nach Belieben setzen, kann ein Publikum auf sachte Weise belehren, als sei ästhetischer Genuß schon immer mit Wissenserweiterung verbunden gewesen.

Wenn Fischer-Dieskau sich also einen Abend lang im Kraftfeld Eichendorffscher Romantik aufhält, dann eröffnet dies Perspektiven, erhellt eine Sache, die häufig und zu Unrecht einer endgültig vergangenen Zeit zugeschanzt wird. Fischer-Dieskau und Wolfgang Sawallisch, die dieses Programm wohl in Absprache formuliert haben, führen Eichendorffs Lyrik über Mendelssohn Bartholdy, Schumann, Hans Pfitzner, Bruno Walter, Reinhard Schwarz-Schilling und Hugo Wolf – zwar gegen die Chronologie historischer Wirklichkeit – in gewundenem Kurs didaktisch äußerst überlegt dem Hörer zu, umsorgen selbst die einzelnen Liedgruppen wiederum mit einer Dramaturgie des Spannungs- und Wärmeausgleichs oder verknüpfen verwandte Inhalte (Fremde, Zwielicht, Wald, Einsiedler etwa in der Schumann-Gruppe), so daß kompositorische Eigenarten in bezug auf das auslösende dichterische Moment aufgespürt werden können. So wurde der zweite Liederabend der Festspiele im, zweifelsohne der Sache zuträglichen Kleinen Festspielhaus, eine Information über die musikalische Reaktion auf Eichendorff, freilich auch eine Übersicht über Varianten deutscher Liedbewältigung.

Während Mendelssohn Bartholdys, Schumanns und Wolfs Gebilde nicht eigentlich des besonderen Hinweises bedürfen, ist das Pfitznersche Liedschaffen – wie ja generell das Werk des Komponisten – nur an der Peripherie programmatischer Wachsamkeit gewürdigt worden. Fischer-Dieskau belegt indes, daß Pfitzner den romantischen Duft "fernen Meeres Rauschens" und von "wunderbarer Einsamkeit" einzufangen verstand, daß Pfitzner nicht nur mit jener Kantate "Von deutscher Seele" in Verbindung zu bringen ist. Das melodische Potential dieser Lieder verfällt keineswegs einer konzessionsfreudigen Eingängigkeit, entzieht sich aber gleichwohl nicht dem unverkrampften Hörerlebnis.

Nach der Pause dann Bruno Walters Vertonungen der Gedichte "Der Soldat" und "Der junge Ehemann", zwei Inhalte von zum Teil zwinkerndem Duktus, gefällig musikalisiert. Die Nähe Mahlers, dessen Assistent Walter ja war, ist zu spüren, wenngleich Reinhard Schwarz-Schillings "Kurze Fahrt" mit klavieristischen Posthornsplittern noch dringlicher an Mahlersche Lieder erinnerte. Es ist in solchem Zusammenhang des öfteren zu erfahren, daß Komponisten von bescheidenerer Bedeutung (und oft auch bewußt minderem Anspruch) im symphonischen Bereich gründlich gescheitert sind, jedoch mit Liedern, also im Rahmen einer kleineren Form, Persönliches vermitteln konnten.

Fischer-Dieskau sang mit der ihm eigenen Plastizität der Artikulation, hütete sich im allgemeinen vor geziert gedrechselter Pointierung gerade nichtiger Anlässe, mied es mithin, den lyrischen Fluß versponnener Romantik zu überfrachten, zu überreizen. Daß die Stimme im Forte-Bereich und mehr noch bei Phasen etwas verschraubter Exaltation an Farbe und Ebenmaß verloren hat, schlägt bei der untrüglich waltenden Intelligenz der Gesamtdisposition wenig zu Buche. Zusammen mit Wolfgang Sawallisch, der blitzsauber wie mit dem Zirkel das Klavier bedient, geht Fischer-Dieskau einen klar abgesteckten Weg. Es scheint sich nichts unverabredet zu ereignen. Sawallisch selbst kann sich kaum auf besondere Schmiegsamkeit des Klaviertones berufen, hingegen erscheint der Satz im Klartext; ein perfekter Repetitor bei Beachtung aller Noten. Ein Dirigent am Klavier, der alle Eventualitäten ausschaltet, seine handwerkliche Fertigkeit dem Werk und dem Sänger zur Verfügung stellt.

Zugabe auf Zugabe am Ende, die Reaktion fiel enthusiastisch aus.

Peter Cossé

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     Trierischer Volksfreund,  16. August 1975     

Die dauerhafte Qualität

Zu Fischer-Dieskaus Eichendorff-Liederabend in Salzburg

  

Zu berichten ist von einem Liederabend Dietrich Fischer-Dieskaus bei den Salzburger Festspielen mit dem üblichen Begeisterungstaumel. Von einem Liederabend, wie es unzählige in aller Welt gegeben hat, seit dieser jetzt fünfzigjährige Sänger vor gut einem Vierteljahrhundert an die Öffentlichkeit trat, sich in jungen Jahren Oper, Oratorium und Lied gleich mühelos eroberte und seither als Markenartikel gilt. Wer eine Eintrittskarte für Fischer-Dieskau kauft, weiß genau, was ihm dafür geboten wird, nämlich allererste Qualität. Das begnadete Material, die stupende Technik und die hohe Intelligenz sind unabhängig von gelgentlich spürbaren Schwankungen. Also zerbrechen sich Kritiker in aller Welt den Kopf darüber, was man denn über diesen F-D noch schreiben könne, und strengen alle Sinnesorgane an, um Formschwächen, Manieriertheiten oder auch wieder Verbesserungen zu erkunden.

Man müßte einmal vergessen können, daß es diesen F-D jemals gab. Er müßte einem als ganz neues Phänomen begegnen. Dann wäre er plötzlich wieder die Weltsensation, jene Vollendung des Liedgesangs, die höchste und von anderen kaum erreichbare Maßstäbe setzt. Fischer-Dieskau mag selbst schon lange mit der Frage beschäftigt sein, wohin seine Entwicklung in relativ jungen Jahren noch gehen könnte. Er hat sich als Dirigent und Schriftsteller betätigt und damit doch bisher nur Mittelmaß erreicht. Selbst auf der Opernbühne und vielleicht auch im Oratorium mag er "Konkurrenz" haben. Der Liedsänger hingegen behauptet bereits aufreizend lange seine Spitzenposition.

Betrachtet man seine Programme, so kann man beruhigt feststellen, daß F-D selbst die Richtung entdeckt hat, wohin er sich noch weiterentwickeln kann. Seit er sich so ungefähr das gesamte Repertoire untertan gemacht hat, kommt er von der intuitiven Interpretation immer mehr zur denkenden. Er hat sich lange schon in die Lyrik vertieft, die den Liedern zugrunde liegt. Und da stellt er zum Beispiel jetzt die Frage, wie verschiedene Meister und verschiedene Epochen der Musikgeschichte sich mit Joseph von Eichendorff auseinandergesetzt haben. Aus der unübersehbaren Fülle der Eichendorff-Lieder hat er jeweils einige von Mendelssohn Bartholdy, Schumann, Pfitzner, Wolf ausgewählt; und man könnte lange darüber nachsinnen, was ihn gerade zu dieser Auswahl veranlaßt hat, wo er verborgene Zusammenhänge, thematische Verwandtschaften oder auch Kontraste aufspürte.

In seinem unentwegten Bemühen um Ausweitung des präsenten Liedschatzes hat er auch weniger bekannte Meister wiedergefunden: Reinhard Schwarz-Schilling etwa, 1904 geboren und in Berlin lebend und lehrend. Und wer wußte schon, daß der große Dirigent Bruno Walter sich auch als Liedkomponist betätigt hat, nicht besonders originell, aber doch sehr gediegen und immerhin hörenswert. Wer anders als Fischer-Dieskau sollte solche Wiederentdeckungen oft zu Unrecht Vergessener leisten?

Es muß wohl kaum betont werden, daß das Nachdenken des Sängers über die Dichtungen keineswegs ein Zergrübeln ist, daß jedes Lied ein geschlossenes Kunstwerk bleibt. Und doch imponiert der intellektuelle Anspruch, der sich übrigens auch in der Wahl des Begleiters äußert: Wolfgang Sawallisch hat eine so unauffällige Art, immer wach und präsent zu sein, daß man an eine ideale Ergänzung im Musikalischen und Geistigen glauben kann.

Klaus Gruber

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