Zur Liedermatinee am 3. August 1980 in München


    

     Süddeutsche Zeitung, 4. August 1980     

Sommerliche Nächte der Seele

Fischer-Dieskaus Münchner Schumann-Matinee

     

Dietrich Fischer-Dieskaus nachgeholte Lieder-Matinee wurde am sonnenglühenden Sonntagvormittag im Münchner Nationaltheater zu dem erwarteten Interpretations-Ereignis, auch zum Stelldichein der Kenner und der Gesellschaft. ("Mir würd was fehlen, wenn ich im Sommer nicht in der Arena wäre".)

Fischer-Dieskau sang Schumanns Zyklen nach Eichendorff und Heine. Kaum hatte die Stimme eine leichte Rauheit abgestreift, die freilich dem Ausdruck des Archaisch-Fremden ("Auf einer Burg") nur zugute kam, folgte sie mühelos, blühend, strömend und charakterisierend den gestalterischen Absichten. Einmal wieder machte Fischer-Dieskau die Gegensätze zwischen der unverstellten Trauer Eichendorffs und den komplizierteren Verstörungen Heines kenntlich, band beides jedoch zusammen durch Schumanns Musik. Wieder einmal konnte man ihn zu seinem Begleiter Jörg Demus beglückwünschen, der für die schrill grimassierende Dur-Apotheose am Schlusse von "Ein Jüngling liebt ein Mädchen" genauso den rechten Ton fand wie für den lyrischen Abgesang des folgenden "Am leuchtenden Sommermorgen". Nicht nur zum Schlürfen, auch zum Denken reizte die Matinee, deutete aus der Vergangenheit auf die Zukunft, auf den moribunden Heine, der in seinem späten Zyklus "Angelique" die Brüche seiner Existenz auf die Formel "Und ach, nun liebt sie mich sogar" brachte, auf Gustav Mahler.

Ovationen, Zugaben ... für die Künstler eine schöne Selbstverständlichkeit. Ein wenig verblüffend, wie schnell das Publikum aus dem dunklen Sonnenlicht in die lachende Konversation zurückfindet. Aber vielleicht ist das Glück darüber, bei einem solchen Ereignis dabei sein zu dürfen, größer als aller Gram, von dem der Sänger singt.

W. B.

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