20.09.01 Die Hausgötter des SängersVON MARIANNE KIERSPEL, 19.09.01, 22:59h
In einer Art Kurzseminar über die Werke und Komponisten stellte der Sänger seine Hausgötter vor - Schubert, Schumann, Brahms, Wolf -, nicht nur mit Liedern. In Schu¦berts Finalsätzen hört der Dirigent Flucht und Trotz. In Schumanns Sinfonien hätte selbst ein Mahler die Instrumentation nicht verbessert. Im Deutschen Requiem von Brahms, 1947 das Einstiegswerk des Baritons, unterstrich jetzt der Dirigent die erschütternde Wirkung im Chorsatz Tod, wo ist dein Stachel. Und er präsentierte von Hugo Wolf das unwolfische Zwischenspiel aus der Oper Der Corregidor. Zweimal war Verdis Maskenball vertreten, in einer WDR-Produktion der Nachkriegszeit unter Fritz Busch und einer neuen Aufnahme unter Fischer-Dieskau, die wohl im Sinne Buschs geraten sei. Wo sich der Gelehrte zu Kritik entschied, bot er sie knapp, eher subkutan. Dass es so viel falsche Wagner-Verehrung gab, sei im Werk angelegt. Das Werk aber sei nicht zu trennen von Leben und Schriften. Die Cavatine aus dem ersten Akt Tannhäuser habe weniger mit Verdi gemein als mit Meyerbeer, dem Beschimpften. Man müsse aber auch wissen, dass es für Wagner eine qualvolle Arbeit war, eine solche Wirkung zu erzielen wie im Sonnenaufgang der Götterdämmerung. Der Opernkurs schloss überraschend schon bei Richard Strauss, obwohl Fischer-Dieskau so viel über jüngere Werke zu sagen hätte. Immerhin konnte man ihn jetzt noch einmal als Barak hören und seine Frau Julia Varady als Capriccio-Gräfin. Strauss habe unter dem Dualismus von Wort und Musik gelitten, resümierte der Professor. Damit geht eine Ära zu Ende. Die Musik muss sich neu besinnen. Und diese Ära nicht verlieren. In Zeiten wie diesen will Fischer-Dieskau sich nicht von Wut und Verzweiflung leiten lassen. Wir dürfen die Werte, die unser Leben ausgemacht haben, auf gar keinen Fall weggeben. Man soll auch heute die Macht der Musik wahrnehmen. |